Vom Versuch meine Antidepressiva zu reduzieren

post-thumb

Es gibt Tage, an denen fühle ich mich vollkommen gesund. Ich bin unsagbar dankbar, dass diese Tage inzwischen mit Abstand die Mehrheit meines Alltags ausmachen. Morgens, mittags und abends erinnern mich nur noch die Tabletten, die ich nehme, daran, dass mir die rettende Chemie Unterstützung schenkt, um gesund zu bleiben. Ich denke zumindest, dass es noch so ist. Denn vor einigen Wochen habe ich das erste Mal versucht, die Medikamente zu reduzieren. Im Rückblick weiß ich, dass die versuchte Dosisreduktion meiner Antidepressiva nur einer von mehreren Faktoren war, die dazu geführt haben, dass es mir wieder schlechter ging. Abermals ist es vor allem Geduld, die ich lernen darf und die bei dem Versuch der Medikamentenreduktion erneut gefehlt hat.

Forschung und Ärzte empfehlen, die Dosis von Antidepressiva nach einer schweren Krise nicht vor einem Zeitraum von 12 Monaten zu reduzieren. Dies gezählt ab dem Zeitpunkt einer spürbaren Besserung und dem Eintreten einer neuen emotionalen Stabilität. Wenn ich zurückschaue, geht es mir seit April 2021 besser. Das sind, bis ich diesen Artikel hier schreibe, nur wenige Monate: acht an der Zahl. Und auch diese Monate waren noch geprägt von spürbaren Schwankungen in meinem Befinden. Also alles andere als stabil. Und noch viel weniger stabile Monate waren es bis zu dem Versuch der Dosisreduktion Anfang Herbst. Heilung im Innen braucht Zeit und die Verarbeitung dessen, was schmerzt, geschieht in Wellen, die kommen und gehen.

Wenn so eine Welle kommt, dann schwingt bei mir neben all der schönen neuen Normalität und der Entzückung über die neue Lebensfreude auch eine gewisse Sinnlosigkeit mit. Es ist eine schwere und bedrückende Frage nach dem „Warum“. Kein neugieriges „Warum“, das die Welt verstehen und entdecken möchte. Es ist ein „Warum“, welches vieles, was zu meinem Alltag und Leben gehört, infrage stellt.

Ich weiß, dass dieses Gefühl, das mit der Frage mitschwingt, mir etwas sagen möchte. Ich habe verstanden, dass die Schwere wieder kommt, wenn ich sie wegdrücke. Also versuche ich allen Emotionen in mir Raum zu geben und sie da sein zu lassen. Dazu gehören auch die Gefühle, die ich nicht so gerne mag. Ja, ich höre ihnen sogar zu, den unangenehmen Emotionen, die nach einem höheren Sinn von allem verlangen, was ich tue.

Eine diffuse Angst ist es, die mein Tun und Handeln und gelegentlich auch den Grund unserer bloßen Existenz hier auf der Welt hinterfragt. Sie ist Teil der Depression. Manchmal ist das okay, dass sie mich begleitet, weil ich spüre, dass die Angst nicht mehr über mich bestimmt. An anderen Tagen gibt mir die Angst zu verstehen, dass mein Leben von heute auf morgen wieder ein großes Fragezeichen sein kann. Wie damals, vor etwa einem Jahr, als sie mich aus meinem Alltag gerissen und von meiner Familie getrennt hat.

Die Angst ist ein Teil von mir. Das wird sie bleiben. Doch ist sie mittlerweile keiner mehr, der das Steuer in der Hand hält. Die Angst schwingt mit, ist in Gedanken und Gefühlen dabei. Manches Mal mehr, manches Mal weniger. Doch sie ist eben nur EIN Teil von ganz, ganz vielen weiteren Facetten, die am Ende mich ausmachen.