Ich bin nicht nur Mama. Ich brauche Raum für mich.

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Aktuell fühle ich mich ausgelaugt und erschöpft. Ich sehne mich nach verlässlicher und planbarer Unterstützung für die Betreuung meines Sohnes. Hinter mir liegen gut elf Wochen, größtenteils gefüllt mit Care-Arbeit und wenig Zeit für echte Pausen. Der Grund, warum wir uns als Familie gegen eine lange Kita-Auszeit entschieden haben, ist ein wirklich schöner: Dank meiner beruflichen Flexibilität und der Möglichkeit meines Mannes remote und somit von überall arbeiten zu können, haben wir es gewagt, unseren Alltag für sieben Wochen nach Portugal zu verlegen. Ja, wir hatten uns diesen Schritt ausgesucht. Und ja, ich bin mir bewusst, dass es ein wahnsinniger Luxus ist, dass wir uns diesen Aufenthalt erstens leisten konnten und zweitens die zeitlichen Ressourcen dafür hatten. Das ist ein Geschenk. Ich bin sehr dankbar für diese lehrreiche und intensive Zeit, die mich hat wachsen lassen.

Gleichzeitig bin ich dankbar, dass unser Sohn inzwischen, wo wir zurück in Berlin sind, wieder in die Kita gehen kann. Das heißt, er ging für zwei Wochen. Erst mit mir an seiner Seite, dann durfte ich für drei wertvolle Stunden auf die Betreuung in der schönen, neuen Kita vertrauen. Wenige Stunden deshalb, weil wir aufgrund eines Kita-Wechsels wieder eine Eingewöhnungszeit haben. Nun sind eine fette Erkältung und die darauffolgende Woche Kita-Schließzeit nahtlos ineinander über gegangen, sodass meine momentane Unterstützung sich wieder auf ein Minimum reduziert hat. Daher also laut Rechnung Woche elf der Kinderbetreuung in Folge. Mein Mann übernimmt, wenn er nicht arbeitet, wenn er vor Ort ist. Doch solange ich verfügbar und greifbar bin, bin ich gefordert und kann mich auch nicht rausnehmen aus der Verantwortung. Dafür müsste ich mir zuallererst selbst erlauben, mir den Raum dafür zu nehmen. Das ist eine der Herausforderungen. Die andere Herausforderung ist, dass es mit Kind zu Hause schlichtweg nicht möglich ist, mir immer dann Zeit für mich zu nehmen, wenn ich sie brauche. Ich trage Verantwortung, Verantwortung für ein Menschenkind, das ich über alles liebe. Doch ich bin auch wütend, weil ich dieser Verantwortung oftmals nicht gerecht werden kann.

Auf der einen Seite ist da mein wundervoller Sohn. Ein Energiebündel, ein liebenswerter Trotzkopf. Selbstbewusst macht er zu jeder Zeit klar, was er braucht, was er möchte. Er ist vollkommen in Kontakt mit sich, dann wiederum absolut überfordert mit seiner eigenen Impulsivität und seiner Gefühlswelt. Ein Tag mit diesem kleinen Menschen beginnt intensiv und endet intensiv. Meine bloße zugewandte Anwesenheit ist nicht genug. Er möchte mich als dauerhaft aktiven Spielpartner neben sich wissen. Und während er anweist, was gemacht werden soll, begleite ich schon den nächsten Wutanfall, weil ich auch mal dankend ablehne oder nein sage. Er möchte das Essen fertig wissen, noch bevor er das Wort Hunger überhaupt ausgesprochen hat. Erinnere ich ihn daran, dass er Pipi gehen sollte, demonstriert er eine weitere Stunde, dass er entscheidet, wann er muss und wann er geht. Überspringe ich eine seiner wissbegierigen Fragen, wiederholt er sie gerne noch 20 Mal, bis ich sie endlich beantworte. Dies sind nur einige kleine Anekdoten aus unserem Alltag. Ein gesundes und altersangemessenes Verhalten für einen knapp 3-jährigen. Für mich jeden Tag ein riesiger Kraftakt.

Ich könnte ihn jetzt bewerten für das, was er ist oder dafür wie er ist. Und wenn ich ehrlich zu mir bin, tue ich das innerlich manchmal, obwohl es gar nichts bringt. Bin ich gerade genervt, würde ich sicher denken: „Boah, ist er heute stur, bockig oder anstrengend.“ Andersherum sind seine Qualitäten kraftvoll, ausdauernd, beharrlich, zielstrebig und smart. So hängt es also von meiner Tagesform ab, wie gut ich mit dem umgehen kann, was ist. Denn die Wahrheit ist, mein Sohn ist genau richtig wie er ist.

Die zweite Wahrheit ist, dass ich selbst richtig und wichtig bin. Jeder Mensch ist genau richtig und gut, wie er oder sie ist. Es geht darum, im Miteinander einen Weg zu finden, der es jedem oder jeder erlaubt, sich zu entfalten und zu sein, wer und was man ist. Das ist Liebe.

Und genau hier liegt für mich das Dilemma im Mamasein. Genau hier kocht täglich mein innerer Konflikt über, weil ich weiß, dass die Liebe keine Entscheidungen gegen, sondern immer nur FÜR jemanden fällt. Der Default-Modus ist der, in dem ich für meinen Sohn da bin, mit allem, was ich habe. Ich bin da. Ich höre ihn, ich sehe ihn, ich liebe ihn.

Das wiederum bedeutet, dass ich mich und meine Bedürfnisse oft übergehe. Und während ich sein Fass, das phasenweise keinen Boden zu haben scheint, mit Liebe fülle, leert sich meines beständig bis zum letzten Tropfen. Der Rest des Weges ist kurz erklärt. Aus meiner Erschöpfung heraus resultiert Wut, die sich abgrenzen möchte und mir helfen möchte, mir meinen Raum zu nehmen. Dann kommen die Vorwürfe an mich selbst, warum ich denn nicht entspannter sein kann und es folgt, ach ja …

… „Hallo Depression, da bist du wieder!“

Mittendrin im Kreislauf aus Selbstablehnung und Selbstvorwürfen weist mich die Depression darauf hin, dass es hier einen Interessenskonflikt gibt, in dem ich meinen Platz nicht finde. Denn während das Bedürfnis meines Sohnes das nach 100%-iger Aufmerksamkeit und Begleitung ist, brauche ich verlässliche und planbare Auszeiten. Doch wie finde ich meinen Platz? Wie finde ich die Pausen, in denen ich wirklich zur Ruhe komme, für mich sein kann und ohne mich rechtfertigen zu müssen, das tun kann, wonach mein Herz noch verlangt? Die Antwort ist einfach und ernüchternd: Solange mein Sohn und ich in Sichtweite voneinander sind, finde ich diese Pausen nicht. Punkt.

Ich habe noch keinen Modus gefunden, der mir erlaubt auf Dauer in der Fremdbestimmung in meiner Kraft zu bleiben. Ich habe mir dafür lange genug Vorwürfe gemacht, mich geschämt, bin in Vergleichen mit anderen Müttern verloren gegangen.

Doch genauso, wie jedes Kind einzigartig ist, ist es auch jede Mama.

Was bringt es, mich in eine Rolle zu zwingen, in der ich auf Dauer unzufrieden bin. Auf diese Weise werde ich weder meinem Sohn noch mir gerecht. Deshalb waren sieben Wochen Portugal plus die Wochen darauf für mich ein Lerngeschenk. Blicke ich zurück auf die inneren Kämpfe, die ich über die Wochen mit mir ausgetragen habe, ist es nahezu erleichternd für mich zu verstehen, dass ich eben nicht die Mama bin, die ich bisher versucht habe zu sein. Was für ein Schritt der Selbstannahme, den Gedanken zuzulassen, dass Mamasein und Hausfrauenleben allein für mich einfach nicht erfüllend sind. Die Wochen in Portugal haben mich zeitweise regelrecht frustriert.

Auch wenn außer Frage steht, dass ich meinen Sohn liebe, bin ich endlich so weit, mir zu erlauben, dass ich mich vor allem selbst lieben darf. Es ist meine Verantwortung als Mama dafür zu sorgen, dass es mir als Individuum gut geht. Meine Depression war und ist mir dafür ein Wegweiser, um mich auf den Pfad zu mir selbst zurückzubringen. Das kann ich endlich erkennen. Sie ist wie die rote Lampe, die aufleuchtet, wenn zu viel Druck im System ist. Dies geschieht meist dann, wenn ich mit dem, was ist, im Widerstand bin.

Schon allein die Annahme dessen, dass ich nicht die Supermama zu sein brauche, die ich mir bisher vorgespielt habe, nimmt den Druck raus. Zu verstehen, wie ich ticke und damit okay zu sein, löst die emotionalen Spitzen und das Drama in schwierigen Situationen. Welch ein Geschenk zu wissen, dass ich rein dadurch meinem Sohn in explosiven Gefühlsausbrüchen besser begegnen kann.

Das Beste daran, anzuerkennen, dass ich eine Mama bin, die verlässliche Pausen braucht, die länger als nur zehn Minuten andauern, ist: Ich kann mich selbst auf die Suche nach Lösungen begeben. Anstatt weiter zeitweilig im Widerstand gegen mich selbst, meinen Sohn und den gemeinsamen Alltag zu sein, habe ich es in der Hand, mir zu ermöglichen, was ich brauche.

Ein paar Ideen habe ich schon im Kopf. Auch wenn ich bei einigen noch nicht weiß, wie sie finanzierbar sind:

  • Ohne Frage, ist die Kita für mich die im Alltag größte Erleichterung für mehr mentale Gesundheit und innere Balance. Für mich ist ganz klar, dass ich mein schlechtes Gewissen bis hin zu Schuldgefühlen ab jetzt am Eingang der Kita verabschiede. Ich möchte mir von meinem inneren Kritiker nicht mehr einreden lassen, ich sei eine schlechte Mama, weil ich meinen Sohn in die Betreuung gebe, obwohl ich teilweise selbst Zeit hätte. Dafür ist der Gewinn für unsere Beziehung unvergleichbar größer.
  • Auch über eine Nanny haben mein Mann und ich schon gesprochen. Was für eine schöne Aussicht, endlich auch als Paar mehr Auszeiten zu haben.
  • Für die kommenden Urlaube und Reisen werden wir uns darauf konzentrieren, mit anderen Familien gemeinsam wegzufahren. So teilen sich Kinderbetreuung und Alltagszuständigkeiten wie kochen und einkaufen auf.
  • Definitiv braucht es auch verlässliche Absprachen und fixe Termine im Kalender, die freie Zeiten für meinen Mann und mich ermöglichen.
  • Die Omas sind nicht immer verfügbar, doch möchte ich mich hier trauen, mehr nachzufragen, wann und ob sie ihren Enkel zu sich nehmen können.
  • Auch wohl dosierte Medienzeit gibt mir kurzfristige und planbare Auszeiten, die ich mehr für mich nutzen möchte.

Während ich das hier schreibe, spüre ich gerade, wie stolz ich darüber bin, so viele Schritte näher auf dem Weg zu mir selbst zu sein. Ich nehme es an, dass ich eine liebevolle Mama bin, die sich Zeit für sich und ihre eigenen Träume nimmt. Damit lebe ich meinem Sohn vor, dass er ebenfalls seinen ganz individuellen Ausdruck in die Welt bringen darf. Und dieser Ausdruck verdient Unterstützung und Stärkung.